Immobilien zu Lebzeiten schenken oder vererben

Oft stellt man sich die Frage, ob es sinnvoll wäre, das im Laufe des Lebens mühsam erarbeitete Vermögen schon zu Lebzeiten auf die Kinder zu übertragen oder lieber bis zum Ableben „Herr des eigenen Hauses“ zu bleiben und das Vermögen erst nach dem Tod an die nächste Generation zu vererben. Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, da in jeder Familie unterschiedliche wirtschaftliche aber auch familiäre Aspekte eine Rolle spielen.

Für eine lebzeitige Übertragung der Immobilien auf die nächste Generation sprechen aber einige Gründe. Ein häufiges Motiv für lebzeitige Immobilienschenkung ist frühzeitige Verkleinerung des Nachlasses im Hinblick auf die Pflichtteilsansprüche der unbeliebten Kinder sowie Ersparnis von Erbschaftssteuer.

Enterbung und Pflichtteil

Nicht immer ist das Verhältnis der Eltern zu all ihren Kindern optimal. Stellen Sie sich vor, ein Kind ist immer für die Eltern da und kümmert sich rührend um sie, während das andere Kind seit Jahren mit seiner Familie in eine andere Stadt gezogen ist und sich nicht einmal am Weihnachten bei den Eltern meldet.

Nach dem deutschen Erbrecht steht den Eltern zwar frei, bestimmte Personen testamentarisch zu bevorzugen und ein anderes Kind zu enterben. Fakt ist jedoch, dass Kinder als Abkömmlinge einen gesetzlichen Anspruch auf eine Mindestteilhabe am Vermögen ihrer Eltern haben. Dieses Recht nennt man Pflichtteil, der die Hälfte des gesetzlichen Erbanteils beträgt und von Erben an die Berechtigten, grundsätzlich in Geld, zu leisten ist.

Vorweggenommene Erbfolge, Wohnrecht und Nießbrauchrecht

Um den Pflichtteil des „unbeliebten“ Kindes – soweit wie möglich – zu reduzieren, haben die Eltern die Möglichkeit, schon zu Lebzeiten eine Immobilie aus ihrem Vermögen auf das zu bevorzugende Kind zu übertragen, damit diese Immobilie zum Zeitpunkt ihres Ablebens nicht mehr zum Nachlass gehört. Dies hat zur Folge, dass der Wert dieser Immobilie bei der Berechnung des Pflichtteils des enterbten Kindes keine Berücksichtigung findet.

Diese Vorgehensweise kann durchaus der optimale Weg sein, das fürsorgliche Kind mehr am Vermögen der Eltern teilhaben zu lassen. Um dieses Vorhaben aber rechtlich sicher umzusetzen, sind vor der Immobilienschenkung unbedingt folgende Überlegungen anzustellen und gegebenenfalls entsprechende Vorkehrungen zu treffen:

Die unentgeltliche Übertragung einer Immobilie auf ein Kind stellt eine Schenkung dar, die der Schenkungssteuer unterliegt. Die Kinder haben alle 10 Jahre einen Schenkungssteuerfreibetrag in Höhe von EUR 400.000,00 und zwar von jedem Elternteil.

Dies bedeutet, dass bei der Schenkung einer Immobilie im Wert vom EUR 800.000,00 durch einen Elternteil auf ein Kind der überschießende Betrag in Höhe von EUR 400.000,00 zu versteuern wäre.

Oft möchte jedoch der Übertragende sich das Recht vorbehalten, bis zu seinem Ableben in der Immobilie wohnen zu bleiben oder seine wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit weiterhin zu behalten. Dies erreicht man durch einen dinglichen Wohnrecht- oder Nießbrauchvorbehalt, der in den Überlassungsvertrag aufgenommen wird. Das Wohnrecht bzw. das Nießbrauchrecht haben einen kapitalisierten Wert, welchen man vom Wert der Schenkung abziehen kann mit der positiven Folge, dass sich der Wert der Schenkung zum Teil erheblich reduziert.

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Etwaige mit einer lebzeitigen Immobilienübertragung verbundenen Risiken dürfen aber nicht aus den Augen gelassen werden. Wenn der Schenker vor Ablauf von 10 Jahren seit der Schenkung verstirbt, haben die enterbten Kinder einen sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch aus den lebzeitigen Schenkungen mit der Folge, dass das beschenkte Kind einen Teil aus dem Wert der Immobilie seinem Geschwister auszahlen muss.

Erbschafts- und Schenkungssteuer

Ein weiteres Risiko ist, dass beim unerwarteten Ableben des Schenkers vor Ablauf von 10 Jahren seit der Immobilienübertragung der Wert der Schenkung zum Wert des Erbes hinzugerechnet wird. In diesem Fall kann der Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuerfreibetrag überschritten werden, sodass der überschießende Betrag versteuert werden muss.

Im Ergebnis macht es durchaus Sinn, Immobilien frühzeitig auf die nächste Generation zu übertragen, damit einerseits die 10-jährige Abschmelzungsfrist für die Pflichtteilsergänzungsansprüche der weichenden Kinder abläuft, bevor der Erbfall eintritt. Darüber hinaus kann durch frühzeitige Schenkung von Immobilien verhindert werden, dass die Schenkung und der Erbfall innerhalb von 10 Jahren erfolgen, die zu negativen steuerlichen Folgen führen könnte.

Bei den lebzeitigen Immobilienübertragungen ist jedoch unbedingt zu beachten, dass die 10-jährige Abschmelzungsfrist der Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht zu laufen beginnt, wenn sich der Schenker ein Wohn- oder Nießbrauchrecht vorbehalten hat.

Obige Ausführungen zeigen, dass bei lebzeitigen Immobilienübertragungen mehrere rechtliche aber auch familiäre und wirtschaftliche Aspekte abgewogen und berücksichtigt werden müssen. Eine voreilige Immobilienübertragung ohne Einholung eines rechtlichen Rats über die optimale Gestaltung kann unwiederkehrbare negative wirtschaftliche Folgen mit sich bringen, die durch eine rechtzeitige Beratung vermeidbar wären.