BGH Erbrecht aktuell – Rechtsanwältin für Erbrecht und Vermögensnachfolge in München

Pflichtteilsanspruch: Eidesstattliche Versicherung des Erben bezüglich eines notariellen Nachlassverzeichnisses

BGH, Urteil vom 1. Dezember 2021 – IV ZR 189/20

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2021-12-1&nr=125032&pos=2&anz=4

Leitsatz

Unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB ist der Erbe auch dann zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn die Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist. Die Versicherung an Eides statt ist nicht auf die Angaben, die im Verzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, beschränkt. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen (vgl. § 261 Abs. 1 BGB).


Eigenhändiges Testament: Darlegungs- und Beweislast für den Einwand der Testierunfähigkeit des Erblassers

BGH, Beschluss vom 24. November 2021 – IV ZR 132/21

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=124735&pos=0&anz=1

Orientierungssatz

Gemäß § 2247 Abs. 4 BGB kann derjenige, der Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kein eigenhändiges Testament errichten. Die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Lesefähigkeit des Erblassers trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf diesen Einwand der mangelnden Testierfähigkeit beruft. Kann die Beweisaufnahme keine Klarheit hierüber erbringen, so ist vom Regelfall auszugehen, nämlich der Lesefähigkeit des Testierenden.


Pflichtteilsrecht: Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten bei Veräußerung des Nachlassgegenstands durch den Erben

BGH, Urteil vom 29. September 2021 – IV ZR 328/20

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=3&nr=123025&pos=20&anz=809

Leitsatz

Dem Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB steht nicht der Umstand entgegen, dass der Nachlassgegenstand vom Erben nach dem Erbfall veräußert wurde.


Kommanditistenhaftung: Haftung der Erben für Verbindlichkeiten einer Kommanditgesellschaft

BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – II ZR 92/20

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=II%20ZR%2092/20&nr=121363

Orientierungssatz

1. Bei einem Versterben des Kommanditisten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft erstreckt sich die gesamtschuldnerische erbrechtliche Haftung seiner Erben gemäß §§ 1967, 2058 BGB, §§ 171 f. HGB grundsätzlich nur auf die zum Zeitpunkt des Erbfalls begründeten Verbindlichkeiten, soweit auch der Erblasser dafür haftete.

2. Die gesellschaftsrechtliche Haftung der Erben nach §§ 173, 171, 172, 161 Abs. 2, 128 HGB, die sich sowohl auf vor als auch auf nach dem Erbfall begründete Verbindlichkeiten erstreckt, ist aufgrund der erbrechtlichen Sonderrechtsnachfolge, bei der die Erben jeweils eigenständige Geschäftsanteile im Umfang ihrer Erbquoten erwerben, entsprechend ihrer Erbquote anteilig beschränkt.


Pflichtteilsanspruch: Berücksichtigung der Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeiten; Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege; Berechnung des Zusatzpflichtteils

BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 – IV ZR 174/20

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=f44baf044596f3082368fcb1b14b1ab2&nr=118858&pos=0&anz=1

Leitsatz

1. Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.

2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.

3. Zur Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB.

Orientierungssatz

Bei der Berechnung des Wertes des Zusatzpflichtteils bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art gemäß § 2305 Satz 2 BGB außer Betracht. Der Berechtigte muss also die seinen Erbteil betreffenden Beschränkungen und Beschwerungen stets voll tragen, wenn er nicht ausschlägt. Lediglich für den Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 BGB bleiben die Beschränkungen und Beschwerungen außer Betracht.


Testamentsauslegung: Ausschluss eines Ausgleichungsanspruch eines Abkömmlings für erbrachte Pflegeleistungen

BGH, Beschluss vom 24. März 2021 – IV ZR 269/20

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=IV%20ZR%20269/20&nr=117463

Orientierungssatz

1. § 2057a BGB, den § 2316 Abs. 1 BGB in das Pflichtteilsrecht überträgt, begründet kein Recht des besondere Leistungen (hier: Pflegeleistungen) erbringenden Abkömmlings am Nachlass oder einen Anspruch gegenüber dem Erblasser, in das oder den dieser nicht eingreifen dürfte.

2. § 2057a BGB geht von der Vermutung aus, der Erblasser habe in den dort geregelten Fällen die Ausgleichung gewollt. Für eine solche Vermutung ist aber kein Raum, wenn sich der Erblasser durch eine Verfügung von Todes wegen eindeutig geäußert und das Erbe nicht der gesetzlichen Erbfolge entsprechend aufgeteilt hat.

3. Auch ohne die ausdrückliche Bezeichnung des Ausgleichungsanspruchs und ohne dessen ausdrücklichen Ausschluss im Testament kann die Testamentsauslegung ergeben, dass der Erblasser einen Ausgleichungsanspruch des Abkömmlings für seine erbrachten Leistungen ausschließen wollte.

4. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Die Revision vor dem BGH ist nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen worden.


Sachmängelhaftung des Testamentsvollstreckers bei Verkauf eines denkmalgeschützten Nachlassgrundstücks: Wissenszurechnung der Kenntnis der Erben und der der Hausverwaltung

BGH, Urteil vom 19. März 2021 – V ZR 158/19

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=V%20ZR%20158/19&nr=117220

Leitsatz

1. Die Denkmaleigenschaft des Kaufobjekts kann einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB begründen.

2. a) Verkauft der Testamentsvollstrecker ein Nachlassgrundstück, kann ihm die Kenntnis der Erben über Mängel der Kaufsache oder andere offenbarungspflichtige Umstände nicht nach den für juristische Personen und öffentliche Körperschaften geltenden Grundsätzen über die „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches“ zugerechnet werden.

2. b) Eine solche Zurechnung findet auch im Verhältnis eines Grundstücksverkäufers zu einer von ihm (nur) mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragten, rechtlich und organisatorisch selbstständigen Hausverwaltung nicht statt (Bestätigung von Senat, Urteil vom 22. November 1996 – V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270)


Erbrecht: Geltendmachung beeinträchtigender Schenkungen bei einem Berliner Testament

BGH, Urteil vom 10. März 2021 – IV ZR 8/20

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2021&Seite=93&nr=116632&pos=2804&anz=3553

Orientierungssatz

1. Auf wechselbezügliche Verfügungen in einem Berliner Testament findet § 2287 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung.

2. Der Herausgabeanspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB gehört nicht zum Nachlass, so dass er bei Vorhandensein mehrerer Vertragserben bzw. bindend eingesetzter Schlusserben nicht den Erben gemeinschaftlich zusteht, sondern jedem von ihnen persönlich und zwar zu einem seiner Erbquote entsprechenden Bruchteil.


Nachlasssache mit grenzüberschreitendem Bezug: Beurteilung einer konkludenten Rechtswahl des Erblassers im Sinne der Europäischen Erbrechtsverordnung

BGH, Beschluss vom 24. Februar 2021 – IV ZB 33/20

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=3&nr=115795&pos=22&anz=659

Leitsatz

Die Frage, ob der Erblasser eine konkludente Rechtswahl im Sinne von Art. 22 Abs. 2 EuErbVO getroffen hat, ist unionsautonom und nicht unter Rückgriff auf das hypothetisch gewählte Recht zu beurteilen (hier: Wahl des deutschen Rechts für die Bindungswirkung in einem zwischen einer deutschen Erblasserin und ihrem österreichischen Ehemann geschlossenen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO).


Grundbuchsache: Nachweis der Echtheit der Unterschrift des verstorbenen Grundstückseigentümers unter einer transmortalen Vorsorgevollmacht durch Beglaubigung seitens der Betreuungsbehörde

BGH, Beschluss vom 12. November 2020 – V ZB 148/19

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2020&Seite=13&anz=2816&pos=417

Leitsatz

1. Die Beglaubigung von Unterschriften auf Vorsorgevollmachten durch die Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG genügt den Anforderungen des § 29 GBO.

2. Eine Vorsorgevollmacht im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG liegt auch dann vor, wenn sie im Außenverhältnis unbedingt erteilt worden ist und lediglich im Innenverhältnis nur für den Fall gelten soll, dass der Vollmachtgeber betreuungsbedürftig geworden ist.

3. Die Beglaubigungsbefugnis der Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG erstreckt sich auch auf Vorsorgevollmachten, die über den Tod hinaus gültig sein sollen.


Betreuungsrechtliche Genehmigung: Beschwerdebefugnis; Anfechtung einer Erbschaftsannahme oder -ausschlagung: Zustellungspflicht im Betreuungsverfahren

BGH, Beschluss vom 18. März 2020 – XII ZB 474/19

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2020-3&Seite=2&anz=216&pos=76

Leitsatz

1. Gegen eine Entscheidung, mit der eine nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1822 BGB erforderliche betreuungsgerichtliche Genehmigung versagt wird, kann der Betreuer nur im Namen des Betroffenen, nicht aber im eigenen Namen Beschwerde einlegen.

2. Das Verfahren über die Erteilung der nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1822 Nr. 2 BGB erforderlichen betreuungsgerichtlichen Genehmigung für die Anfechtung einer Erbschaftsannahme oder einer Erbschaftsausschlagung gehört nicht zu den Verfahren, auf die sich der Anwendungsbereich des § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG erstreckt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. Juli 2015 – XII ZB 292/14, FamRZ 2015, 1701).

3. In einem Betreuungsverfahren ist Voraussetzung für die Zustellungspflicht nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG, dass ein dem Beschluss nicht entsprechender Wille eines Beteiligten im Verfahren für das Gericht erkennbar geworden ist. Ausreichend ist, wenn sich ein entsprechender Wille durch sonstige Äußerungen des Beteiligten oder durch dessen Verhalten im Verfahren erkennen lässt. Bloßes Schweigen auf das Vorbringen eines anderen Beteiligten oder auf eine Äußerung des Gerichts sowie der mutmaßliche Wille eines Beteiligten genügen hierfür nicht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 29. März 2017 – XII ZB 51/16, FamRZ 2017, 1151).


Nießbrauchbestellung an Grundstück für mehrere Personen: Aufhebbarkeit der Gesamtberechtigung

BGH, Urteil vom 6. März 2020 – V ZR 329/18

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=07af03b532463fd467081391d1172df4&Sort=3&Seite=31&nr=108181&pos=945&anz=64050

Leitsatz

Ist für mehrere Personen als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB ein Nießbrauch an einem Grundstück bestellt, kann die Aufhebung der Gesamtberechtigung entsprechend § 749 Abs. 1 BGB nicht verlangt werden.


Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Unberechtigtes Vertrauen in eine Einwilligung des Gegners in eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

BGH, Beschluss vom 13. Februar 2020 – V ZB 99/19

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=104757&pos=0&anz=1

Orientierungssatz

Da gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist über einen Monat hinaus ohne Einwilligung des Gegners nicht in Betracht kommt, darf der Prozessbevollmächtigte des Berufungsführers grundsätzlich nur dann eine weitere Verlängerung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten, wenn er darauf vertrauen durfte, der Gegner werde die erbetene Zustimmung vor Ablauf der Frist erteilen.


Einziehung des Nachlasses bei Tötung des Erblassers durch den angeklagten Erben

BGH, Beschluss vom 23. Januar 2020 – 5 StR 518/19

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=105342&pos=1&anz=401

Orientierungssatz

1. Eine Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB ist ausgeschlossen, wenn – wie hier – der Anwendungsbereich der Vorschriften über die strafrechtliche Vermögenabschöpfung nicht eröffnet ist, weil der Angeklagte infolge der Tötung des Erblassers (hier: seiner Mutter) Erbe geworden ist.

2. Im Falle einer Tötung des Erblassers durch dessen Erben sind § 2339 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2340 ff. BGB vorrangig und abschließend.


Erforderlich einer Kontrollbetreuung bei Vornahme von Schenkungen und Überlassung von Taschengeld

BGH, Beschluss vom 8. Januar 2020 – XII ZB 368/19

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2020&Seite=108&nr=103845&pos=3267&anz=3285

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung und der Übertragung des Aufgabenkreises des Widerrufs einer Vorsorgevollmacht.

Orientierungssatz

1. Ein Betreuer kann zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen und gegebenenfalls die Vollmacht zu widerrufen. Eine solche Kontrollbetreuung darf nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird.

2. Die Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung kann nicht damit begründet werden, dass der Bevollmächtigte in der Vergangenheit Schenkungen und Zuwendungen aus dem Vermögen des Betroffenen vorgenommen habe, die teilweise auch ihm und seiner Familie zugutegekommen seien, wenn in der vom Betroffenen erstellten Vorsorgevollmacht geregelt ist, dass der Bevollmächtigten Schenkungen vornehmen kann, soweit sie auch einem Betreuer rechtlich gestattet sind.

3. Die Überlassung eines monatlichen Taschengeldes in Höhe von 500 Euro vom Bevollmächtigten an den Betroffenen begründet ebenfalls nicht die Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung, wenn diese Summe nicht außer Verhältnis zu den festgestellten wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen steht.