Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB

Was ist der Pflichtteil und wer ist pflichtteilsberechtigt?

Zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehören Abkömmlinge des Erblassers, Eltern, Ehegatten und der Lebenspartner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft. Pflichtteilsberechtigt ist eine Person, die durch eine testamentarische Verfügung aus dem Erbe ausgeschlossen ist, mit anderen Worten enterbt wurde oder weniger erhalten soll, als ihr Pflichtteil normalerweise betragen würde.

Kinder, Ehegatten und eingetragene Lebenspartner sind immer pflichtteilsberechtigt. Eltern sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind. Somit haben Geschwister, Neffen und Nichten sowie sonstige weiter entfernte Verwandte keinen Anspruch auf den Pflichtteil.

Wie berechnet man die Höhe des Pflichtteils?

Der Pflichtteil beträgt gemäß § 2303 Abs. 1 BGB die Hälfte des Wertes des jeweils gesetzlichen Erbteils des Pflichtteilsberechtigten. Man berechnet somit die Höhe des Pflichtteils so, dass man zuerst entsprechend der gesetzlichen Erbfolge ermittelt, wie hoch grundsätzlich der Anteil des Pflichtteilsberechtigten am Erbe wäre, wenn es kein Testament gäbe. Anschließend wird dieser Anteil durch zwei geteilt.

Komplizierter ist der Pflichtteil der Ehegatten, wenn sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Die Ehegatten haben nämlich bei der gesetzlichen Erbfolge zwei Möglichkeiten. Der überlebende Ehegatte kann sich entscheiden, ob er das Erbe annimmt (Erbrechtliche Lösung) oder seinen gesetzlichen Erbteil ausschlägt. Dann wählt er die sogenannte güterrechtliche Lösung. In diesem Fall muss er die Erbschaft innerhalb von sechs Wochen ab der Kenntnisnahme vom Anfall der Erbschaft ausschlagen.

Vorsicht: Diese Frist ist nicht verlängerbar und läuft nach sechs Wochen endgültig ab. Ausnahme: Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.

Nach der erbrechtlichen Lösung erhält der überlebende Ehegatte 1/4 Erbteil und zusätzlich ¼ pauschalen Zugewinn. Nach der güterrechtlichen Lösung erhält der überlebende Ehegatte güterrechtlich den vollen Zugewinnausgleich, wie bei einer Scheidung auch. Zusätzlich erhält er als Pflichtteil die Hälfte des nicht um 1/4 erhöhten gesetzlichen Erbteils, somit 1/8 aus der Erbschaft des verstorbenen Ehegattens.

Ob die erbrechtliche oder güterrechtliche Lösung für den überlebenden Ehegatten sinnvoll ist, muss im Einzelfall genau überprüft werden. Es kann durchaus Sinn machen, die güterrechtliche Lösung zu wählen, wenn unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten festgestellt wird, dass der überlebende Ehegatte einen hohen Zugewinnausgleichsanspruch hätte, der jedenfalls den pauschalen Zugewinnausgleich nach der erbrechtlichen Lösung deutlich übersteigen würde. Bei der Entscheidung ist jedoch Vorsicht geboten; sie soll am besten vorher mit einem/er auf Erbrecht spezialisierten/e Rechtsanwalt/Rechtsanwältin konsultiert werden.

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch, der sich nach dem Wert des reinen Nachlasses bestimmt. In der Regel ist der Pflichtteilsberechtigte aufgrund familiärer Zerwürfnisse oder mangels jahrelangen Kontakts mit dem Erblasser keine oder nur begrenzt Informationen über die Höhe des Nachlasses, sodass er auch keine konkrete Geldsumme fordern kann. Er muss also die Möglichkeit haben, den Wert des Nachlasses festzustellen.

Daher gibt das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten das Recht, vom Erben Auskunft und ein Nachlassverzeichnis zu verlangen. Erst durch diese Auskunft wird dem Pflichtteilsberechtigten ermöglicht, seinen Pflichtteil konkret zu beziffern und einzufordern.

Der Erbe muss alle Nachlasswerte im Nachlassverzeichnis auflisten und im Optimalfall für seine Angaben entsprechende Nachweise und Unterlagen vorlegen. Auch die Ausgaben im Zusammenhang mit dem Erbfall (Nachlassverbindlichkeiten) sind nachzuweisen, die wiederum vom Wert des Nachlasses abgezogen werden, bevor der Pflichtteil berechnet wird.

Der Erbe muss nicht nur gewissenhaft und vollständig alle Nachlassgegenstände angeben, er muss auch zu ihm bekannten Schenkungen des Erblassers an ihn selbst oder an Dritte Auskunft erteilen. Dazu gehört unter anderem auch die Auskunft zu sogenannten Verträgen zugunsten Dritter, wie Kapitalversicherungsverträge und Bausparverträge des Erblassers, die den Erben als Bezugsberechtigte vorsehen. Diese Verträge fallen in der Regel nicht in den Nachlass. Der Bezugsberechtigte einer Lebensversicherung erhält in der Regel nach dem Ableben des Erblassers die Versicherungssumme direkt von dem Versicherungsunternehmen, auch wenn er nicht Erbe sein sollte.

Die Zahlungen einer Lebensversicherung oder Bausparkasse werden daher im Erbfall so behandelt, als hätte der Erblasser diese Leistungen der betroffenen Person geschenkt. Auch diese Auskünfte sind für den Pflichtteilsberechtigten von Bedeutung, da er diese Zuwendungen im Rahmen seines Pflichtteilsergänzungsanspruchs (siehe den Artikel zum Pflichtteilsergänzungsanspruch) geltend machen kann

Im Nachlassverzeichnis muss der Erbe zu den Werten der einzelnen Nachlassgegenstände Angaben machen. Häufig beauftragt der Erbe hinsichtlich der vorhandenen Immobilien im Nachlass einen Gutachter, der den Wert der Grundstücke ermittelt. Die Kosten solcher Gutachten sind als Nachlassverbindlichkeit vom Wert des Nachlasses abzuziehen. Somit reduziert sich der Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten ebenfalls anteilig um diese Kosten.

Zu beachten ist jedoch, dass der durch einen Gutachter festgesetzte Wert für den Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich nicht bindend ist. Sollte der Pflichtteilsberechtigte der Auffassung sein, dass der ermittelte Wert der Nachlassimmobilie viel zu niedrig festgesetzt wurde und sonst keine weitere Einigungsmöglichkeit besteht, kann er durch die Erhebung einer Stufenklage darauf hinwirken, dass ein gerichtliches Gutachten eingeholt wird. Ob diese Vorgehensweise Sinn macht, sollte im Konkreten Fall abgewogen werden.

Was ist eidesstattliche Versicherung?

Nachdem der Erbe ein Nachlassverzeichnis erstellt und dies dem Pflichtteilsberechtigten vorgelegt hat, kann der Pflichtteilsberechtigte fordern, dass der Erbe seine Angaben im Nachlassverzeichnis an Eides statt versichert, wenn begründete Verdacht besteht, dass das Nachlassverzeichnis nicht ordnungsgemäß und nicht mit erforderlicher Sorgfalt erstellt wurde. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn der Erbe nachweislich Teile des Nachlasses verschwiegen hat.

Wie lange hat man Zeit, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen?

Der Pflichtteilsanspruch verjährt grundsätzlich in drei Jahren. Voraussetzung für den Fristbeginn ist, dass der Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall und dem ihn beeinträchtigenden Testament Kenntnis erlangt. Zu beachten ist jedoch, dass die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Todesfall und Testament Kenntnis erlangt hat. Unabhängig von der Kenntnis verjährt jedoch der Anspruch spätestens 30 Jahre nach dem Tod des Erblassers gemäß § 199 Abs. 3a BGB.

Da die dreijährige Verjährungsfrist nicht verlängert werden kann, sollte diese Frist sehr genau berechnet und im Auge behalten werden. Zur Wahrung dieser Frist genügt es nämlich nicht, den Erben bloß schriftlich zur Auskunft und Zahlung aufzufordern. Wenn die Verjährungsfrist naht, sollte daher eine Stufenklage vor den Zivilgerichten eingereicht werden, um die Verjährung zu hemmen/stoppen.

Obige Ausführungen dienen dazu, einen groben Überblick zum Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 BGB zu verschaffen und sind keineswegs abschließend zu diesem Thema. Das Pflichtteilsrecht ist eine komplizierte erbrechtliche Materie und beinhaltet auch weitere zu berücksichtigende Themen wie Pflichtteilsergänzungsansprüche, Anrechnung und Ausgleichung von lebzeitigen Zuwendungen, Ausgleichung von Pflegeleistungen, die Möglichkeiten zur Abwendung von Pflichtteilsansprüchen und Vieles mehr, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Gehören Sie zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten und sind testamentarisch aus der Erbfolge ausgeschlossen, ist es empfehlenswert, sich von einem/er auf Erbrecht spezialisierten/e Rechtsanwalt/Rechtsanwältin beraten zu lassen, um Ihre Ansprüche umfassend und rechtssicher durchzusetzen. Für Beratungen rund um das Erbrecht, die Vermögensnachfolge und lebzeitige Vermögensübertragungen steht Ihnen die Anwaltskanzlei Reißler in München zur Verfügung.